Monday, May 25, 2015

Japanertheorien

Die sogenannten Japanertheorien sind seit den 1950er Jahren sehr beliebt. Es geht dabei immer darum, dass Japaner ganz anders sind als die westliche Bevölkerung und warum das so ist.
Es gibt verschiedene Bücher und Zeitschriften zu den Themen, viele davon sind in Japan Bestseller.
Mehr zu diesem Thema unter anderen in folgendem Buch (wenn man den belehrenden, besserwisserischen Ton des Professoren-Autors ignoriert ganz interessant, gibt aber sicher bessere Japan-Lektüre): Christian Tagshold, Japan ein Länderporträt

Wenn man in diesem Land unterwegs ist, kann man nicht umhin sich seine ganz eigenen Japanertheorien zu machen. Denn eins ist klar, anders sind sie schon, die Japaner.

Japaner sind die höflichsten, freundlichsten, hilfsbereitesten und süßesten Menschen die ich kenne. Sie gehen 10 Minuten lang in die für sie falsche Richtung nur um dir den richtigen Weg zu zeigen. Der Busfahrer bedankt sich beim Aussteigen bei jedem einzelnen Fahrgast für das Mitfahren. Sie entschuldigen sich mehrmals bei dir, wenn du ihnen den Weg abschneidest. Sie bedanken sich und verbeugen sich mehrmals, wenn du Ihnen Vorfahrt gewährst. Sie grüßen beim Vorbeigehen auf der Straße mit einer leicht angedeuteten Verbeugung und einem Lächeln. Der Zugschaffner verbeugt sich, wenn er ein Abteil betritt.

Japaner waren mir irgendwie schon immer sympathisch. Aber in ihrem eigenen Land mag ich sie noch viel lieber. Vielleicht weil sie hier nicht so viel fotografieren.

Schlitz Augen. Eine doppelte Lidfalte gilt bei Japanern als besonders schön, daher gibt es sogar Klebestreifen, die man sich auf die Augen Lider kleben kann. Evolutionsbiologisch haben Schlitz Augen wohl einen Vorteil in Regionen mit Sandstürmen und ähnlichem geboten, z.b. auch Mongolei....

Typische Situation: ich will in einem Elektroladen eine neue Hülle für mein iPhone kaufen. Also frage ich nach 'Case for iPhone 5'. Der Verkäufer versteht nicht recht und führt mich zu den Modellen für iPhone 6 und sagt 'better better' und 'six better'. Ich also, CASE for iPhone FIVE. 'Six Better.' 
Hätte einfach gleich das iPhone mit der kaputten Hülle zeigen sollen. Selber schuld. Stattdessen entschuldigt der Verkäufer sich jetzt salbungsvoll und verbeugt sich mit den Händen vor der Stirn mehrmals und führt mich zum richtigen Regal. Und danach redet er noch circa 1 Minute lang auf Japanisch auf mich ein.

Die Leute in Tokio bereiten sich schon inbrünstig auf die Olympischen Spiele 2020 vor. Kleiner Tipp von mir: definitiv müssen Sie Ihr Metro- und Zugnetz nicht weiter ausbauen, aber Englisch wäre schön.

Wenn man einmal das Glück hat, eine Simultan-Übersetzung eines japanischen Gesprächs am Tisch zu bekommen versteht man die Art Konversation besser:
Am Wochenende Golf zu spielen hat Spaß gemacht. 
Ja es hat Spaß gemacht.
Du spielst inzwischen wirklich sehr gut.
Oh vielen Dank vielen Dank vielen herzlichen Dank. Du spielst aber eindeutig besser.
Oh vielen Dank. Aber nein ich spiele nicht besser als du. Ich wünschte ich würde so gut Golfspielen wie du.
Oh vielen Dank vielen Dank. Aber das stimmt nicht. Du spielst doch so gut.
....
Ohne Schmarrn. Das geht ewig so weiter. Man sagt ja über Italienisch, dass es nicht dem Austausch von Informationen, sondern von Emotion dient. Ich glaube, Japanisch dient auch nicht dem Austausch von Informationen, sondern von Höflichkeiten.

Über den Kaiser und seine Familie darf man sich auf keinen Fall lustig machen.

Japaner haben komische Sachen wie zum Beispiel beheizte Tischdecken.

Ja, es gibt tatsächlich wohl eine japanische Mafia (Yakuza) und man erkennt sie an Tätowierungen. Deshalb dürfen in öffentliche Bäder auch häufig keine Tätowierten rein.

Sie imitieren und perfektionieren. Sie wollen immer von den besten lernen. Zum Beispiel hat man sich früher an der deutschen Medizin orientiert. Deshalb können jetzt ältere Ärzte noch deutsch, weil das ein Fach in ihrer Ausbildung war.

Sie sind wirklich sehr sauber und reinlich. Man bräuchte eine japanische Putzfrau, das wärs!

Viele bauen ihr eigenes Gemüse an, manche haben sogar ein Mini-Reisfeld hinter dem Haus.

Obwohl Japaner im Allgemeinen glaube ich sehr viel Stress haben, lassen Sie sich das kaum anmerken. Im Gegensatz zu den Neuseeländern, die so gechillt sind, dass man meinen könnte, Ihnen wäre alles egal, ist den Japanern nichts egal. Im Gegenteil, sie nehmen alles wichtig, aber sich selbst nicht so. Und so reißen sie sich glaub ich oft ziemlich zusammen. Sie sind stets bemüht dem Gegenüber nicht zur Last zu fallen. Jammern ist nicht. Sie nehmen alles mit einer gewissen konzentrierten Ruhe und zielstrebigen Gelassenheit. 

Japaner halten sich an Regeln. Aber nicht wie wir Deutschen aus bloßer Fantasielosigkeit. Und weil sich das halt so gehört. Japaner dienen einem großen Ganzen. Sie verstehen sich als kleines Rädchen im Getriebe. Und dann bleiben sie eben an jeder Ampel bei Rot stehen. Nicht weil man das so macht, sondern weil dann der Verkehr besser läuft.

Japaner kleiden sich äußerst geschmackvoll, farblich stimmig und stilvoll. Geschäftsmänner immer im Anzug, zum Lunch auch gerne leger in weißen Hemd mit einer Firmenkarte um den Hals hängen. Businessfrauen in diesen engen Bleistiftröcken, die bei den schlanken Figuren natürlich super aussehen und immer Absätze. Viele alte Leute auf den Straßen, in blau, grau, schwarz sehr dezent und ordentlich gekleidet. 
Oder halt dann total Crazy, Maid-Style, blond gefärbt, tätowiert, rosa Perücke und falsche Wimpern, Mini-Mini-Röcke und Plateau Absätze, freaky...
Alles dazwischen sind Chinesen - oder Koreaner.

Es gibt verschiedene Arten zu schreiben, eine beruht auf Lauten, eine sind Zeichen für die jeweiligen Dinge und dann gibt es eine dritte, die auf chinesischen Zeichen beruht. Wenn man eine Gruppe Japaner fragt, wie etwas geschrieben wird, kann schon einmal Uneinigkeit ausbrechen. Naja, jedenfalls gibt es zwei Laute für Tere-sa und die bedeuten wohl auch 'sea' und 'shiny'. Japanisch gefällt mir.

Diese Sprache ist echt krass. Und Schulkinder im Museum zu sehen, die in ihre Schulhefte die Zeichen in unendlicher Geschwindigkeit malen, ist im höchsten Maße frustrierend. Ich glaube aber dennoch, dass man in vielen Jahren und durch viel Studium die Sprache lernen kann. Was man auch lernen kann, ist Nudelsuppe zu schlürfen. Was man glaube ich nicht kann, ist in diesem Land als Ausländer voll akzeptiert und integriert zu werden. Aber das ist natürlich nur mein persönlicher Eindruck.

Viele trinken echt ganz schön viel Alkohol.

Sie reichen einem zur Begrüßung ihre Visitenkarte. Die Zeichen unter dem Namen müssen möglichst lang sein. Je länger desto hochrangiger.

Überall klingelt und jinglet es. Sogar der Geldautomat spielt einen Jingel beim Geld abheben. Was mich beim ersten Mal zutiefst erschreckt hat. Ich habe schon die Karte im Niemandsland verschwinden sehen. In jedem Lift, in jedem Restaurant, auf dem Klo, in der U-Bahn überall Fahrstuhl-Musik. Japaner sind aber kein lautes Volk. Auch wenn viele Menschen auf einem Fleck sind, entsteht allein durch die Ansammlung kein Lärm. Sie sind eben keine Italiener oder Spanier. Aber sie lieben Megaphone. 

Sie lieben Maskottchen und Disney. Und Comics/Mangas natürlich.

Sie schlafen in der Metro. Einmal hätte einer fast ein Buppi an meiner Schulter gemacht.

Überall stehen Leute in Uniformen und weißen Handschuhen ganz sauber gekleidet und weisen einem einen völlig offensichtlichen Weg, verbeugen sich wenn die Lift-Tür aufgeht oder schwenken an einer funktionierenden Ampel zusätzlich eine Fahne... Ist das eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme? Dabei scheint es den Japanern aber nicht zu blöd zu sein. Mit voller Ernsthaftigkeit begleitet der arme Mann in der prallen Mittagssonne jede einzelne Ampelphase mit seiner Fahne und wichtigem Gesicht. Und er ist nicht allein. So einer steht an jeder größeren Kreuzung. Hier stehen oft drei Leute herum, wo, wenn man mal ehrlich ist, es vielleicht auch null getan hätten?

Faszinierend.
Teresa

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